Wird ein Krankenhaus in den Krankenhausplan des Landes Baden-Württemberg aufgenommen, ist der Träger verpflichtet, entsprechend den Regelungen der §§ 34 ff. LKHG eine Beteiligung der nachgeordneten ärztlichen Mitarbeiter an den Honorareinnahmen der liquidationsberechtigten leitenden Ärzte sicherzustellen, soweit diese Bestimmungen auf das Krankenhaus Anwendung finden. Sieht der Arbeitsvertrag eines liquidationsberechtigten leitenden Arztes keine dem Gesetz entsprechende Mitarbeiterbeteiligung vor, kann eine Änderungskündigung mit dem Ziel gerechtfertigt sein, den gesetzlichen Abführungspflichten im Verhältnis zwischen Krankenhausträger und Chefarzt Geltung zu verschaffen.
Orientierungssätze der Richterinnen und Richter des Bundesarbeitsgerichts
1. Nach §§ 34 ff. LKHG sind in öffentlich geförderten Krankenhäusern des Landes Baden-Württemberg die nachgeordneten ärztlichen Mitarbeiter an den Erlösen der liquidationsberechtigten Ärzte in näher bestimmter Höhe zu beteiligen. Die arbeitsvertraglichen Pflichten der mit Verträgen im Anwendungsbereich der §§ 34 ff. LKHG beschäftigten liquidationsberechtigten Ärzte werden dabei durch das Gesetz nicht unmittelbar gestaltet.
2. Umstände, die einem Wegfall der Geschäftsgrundlage i. S. d. § 313 BGB gleichkommen, können ein dringendes betriebliches Änderungserfordernis i. S. v. §§ 2, 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG begründen. In diesem Fall sind die dafür geltenden Grundsätze zu berücksichtigen. Das Kündigungsrecht ist zwar gegenüber einer Anpassung nach § 313 BGB lex specialis. Das bedeutet aber nicht, dass Tatbestände, die zu einer Störung oder dem Wegfall der Geschäftsgrundlage geführt haben, in kündigungsrechtlicher Hinsicht außer Betracht bleiben müssten.
3. Ein Festhalten an dem bisherigen Dienstvertrag mit einem liquidationsberechtigten Chefarzt kann dem Krankenhausträger im Anwendungsbereich der §§ 34 ff. LKHG unzumutbar sein, wenn die vertraglichen Vereinbarungen keine diesen Bestimmungen entsprechende Beteiligung der nachgeordneten ärztlichen Mitarbeiter an den Liquidationserlösen vorsehen.
4. Voraussetzung für die Wahrnehmung einer unternehmerischen (Teil-)Aufgabe i. S. v. § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG ist es, dass dem leitenden Angestellten rechtlich und tatsächlich ein eigener und erheblicher Entscheidungsspielraum zur Verfügung steht und er kraft seiner leitenden Funktion maßgeblichen Einfluss auf die Unternehmensführung ausübt. Ein solcher Einfluss kann darin bestehen, dass der leitende Angestellte selbst die Entscheidungen trifft, aber auch darin, dass er kraft seiner Schlüsselposition Entscheidungsvoraussetzungen schafft, an denen die Unternehmensleitung nicht vorbeigehen kann. Der maßgebliche Einfluss fehlt, wenn der Angestellte nur bei der rein arbeitstechnischen, vorbestimmten Durchführung unternehmerischer Entscheidungen eingeschaltet wird, etwa im Rahmen von Aufsichts- oder Überwachungsfunktionen. Erforderlich ist im Übrigen, dass die unternehmerische Aufgabenstellung mit Entscheidungsspielraum die Tätigkeit des leitenden Angestellten prägt, d. h. als deren Schwerpunkt bestimmt.
5. Ob ein Chefarzt nach diesen Grundsätzen leitender Angestellter i. S. v. § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Erforderlich ist, dass er nach dem Arbeitsvertrag und der tatsächlichen Stellung in der Klinik der Leitungs- und Führungsebene zuzurechnen ist und unternehmens- oder betriebsleitende Entscheidungen entweder selbst trifft oder maßgeblich vorbereitet (im Streitfall bejaht für einen ärztlichen Direktor).
Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 72 Abs. 1, Art. 74
Abs. 1 Nr. 19 a GG.
§ 1 Abs. 2 Satz 1, §§ 2, 4 Satz 2 KSchG.
§ 313 BGB.
§ 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3, § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG.
§§ 1, 2 Abs. 1 Satz 1, § 8 Abs. 1 Satz 1, § 23 Abs. 1 Satz 1, §§ 34 ff.,
§ 53 Abs. 1 LKHG B-W.
BAG, Urt. v. 5.6.2014 – 2 AZR 615/13 –
DOI: | https://doi.org/10.37307/j.1868-7857.2015.02.10 |
Lizenz: | ESV-Lizenz |
ISSN: | 1868-7857 |
Ausgabe / Jahr: | 2 / 2015 |
Veröffentlicht: | 2015-01-26 |
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